Kommentar zur aktuellen Lage bei Saab

Offensichtlich ist bei Saab der letzte Finanzierungsversuch gescheitert oder die Finanzierung verzögert sich. Hier war in den letzten Wochen zunächst die amerikanische Investmentfirma Endeavor und dann ein Überbrückungskredit durch die Deutsche Bank in Spiel gebracht worden.

Was bei diesen Verhandlungen passiert, ob sie fortgeführt werden oder ob sie abgebrochen wurden ist nicht bekannt. Es werden jetzt sicherliche viele wilde Spekulationen in der Presse kursieren. Aktuell wird zum Beispiel schon spekuliert, dass Victor Muller und Wladimir Antonow sich zerstritten haben. Ich möchte mich an solchen Spekulationen nicht beteiligen sondern werde abwarten und versuchen, hier nur Fakten zu bringen. Fraglich ist natürlich ob wir jemals etwas über die „geheimen“ Verhandlungen erfahren werden.

Aber zurück zu den aktuellen Ereignissen. Ich möchte mich gar nicht zu den Ursachen der Krise jetzt äußern. Dies habe ich vor einiger Zeit bereits hier getan und da gibt es nichts wesentliches hinzuzufügen.
Tatsache ist wohl, dass Saab jedenfalls aktuell keine Finanzierung der ausstehenden August-Löhne sicherstellen konnte. Aus meiner Sicht ist es dann der richtige Schritt, freiwillig den Schritt in ein Rekonstruktionsverfahren zu tätigen als darauf abzuwarten, dass die Gewerkschaften verständlicherweise die Geduld verlieren und einen Insolvenzantrag stellen. Dies erscheint mir auch gegenüber den Mitarbeitern der fairere Weg zu sein. Interessanterweise scheinen dies auch viele Kritiker von Saab zu meinen. In der schwedischen Presse häufen sich Kommentare von bisher sehr kritischen Personen aus der Automobilbranche, die das Rekonstruktionsverfahren als guten Ausweg für Saab sehen, mit mehr Zeit und Ruhe die kurz- und langfristige Finanzierung zu sichern.

Ein Rekonstruktionsverfahren kann also einige positive Entwicklungen für Saab bringen. Saab hat mitgeteilt, dass man die Unterstützung der Zulieferfirmen sucht und im Gegensatz zum Verfahren 2009 keinen Schuldenschnitt vornehmen will. Das Rekonstruktionsverfahren kann Saab eine Ruhephase geben, um die kurzfristige Finanzierung zu sichern und die Produktion wieder aufzunehmen. In den vergangenen Monaten ist es Saab und Victor Muller immer wieder gelungen, weitere Finanzmittel aufzubringen. Allerdings waren diese wieder zu schnell durch die laufenden Kosten aufgebraucht, so dass es für die Wiederaufnahme nicht reichte. Aus diesem Teufelskreis kann Saab jetzt ausbrechen, da Löhne und Gehälter vom schwedischen Staat übernommen werden.
Ich kann mir bei diesem Punkt jetzt den kleinen Seitenhieb auf die schwedische Regierung nicht verkneifen, dass ein schneller Einstieg Antonows, der von der Regierung und der EIB mutwillig ohne nachvollziehbaren Grund verhindert wurde, doch deutlichst günstiger für den schwedischen Staat und den schwedischen Haushalt gewesen wäre.

Allerdings birgt ein solches Verfahren aber auch erhebliche Risiken für Saab. Zunächst ist noch nicht einmal sicher, ob dieses Verfahren durchgeführt wird. Hier müssen die Richter abwägen, ob eine Rekonstruktion zum Erfolg führen kann. Dagegen spricht natürlich, dass Saab 2009 bereits schon einmal ein solches Verfahren durchlaufen hat. Positiv könnten sich allerdings die Kooperationsverträge und die Zusagen der chinesischen Partner auswirken.
Fraglich ist auch, wie sich ein solches Gläubigerschutzverfahren auf die Kooperationsverträge mit Pang Da und Youngman auswirken. Insbesondere Pang Da ist schon in Vorleistung getreten und hat daher ein besonderes Interesse am Überleben von Saab. Aber bisher fehlt für den Einstieg der beiden Firmen noch die wichtige Genehmigung der chinesischen Behörde NDRC. Zwar sind Pang Da und Youngman weiterhin sehr optimistisch, dass eine Zustimmung durch die NDRC erfolgt. Ich meine aber, dass ein Gläubigerschutzverfahren sich negativ auf die Entscheidungsfindung der NDRC auswirkt.
Zwar hat das Image und das Vertrauen in Saab schon durch die Ereignisse der letzten Monate stark gelitten. Trotzdem muss man sich die Frage stellen, ob nach einem solchen zweiten Gläubigerschutzverfahren noch zukünftig Kunden, Mitarbeiter, Zulieferfirmen, Geldgeber und Händler Saab Vertrauen werden bzw. dieses Vertrauen bei den vielen Geschäftspartnern von Saab wieder aufgebaut werden kann. Was passiert, wenn jetzt einige Zulieferer endgültig abspringen und ihre Verträge mit Saab kündigen. Kann dann überhaupt noch die Produktion angefahren werden? Was passiert, wenn  Pang Da und Youngman abspringen? Bisher unterstützen sie sogar laut Presseberichten das Rekonstruktionsverfahren. Aber dies könnte sich ja noch ändern.

Es gibt also noch eine Menge von Fragezeichen. Das Rekonstruktionsverfahren ist noch nicht der Untergang von Saab, aber er könnte es werden. Uns stehen noch weitere aufregende Tage, Wochen und Monate mit unserer Lieblingsmarke Saab bevor. Trotzdem sollten wir nicht auf jede Pressespekulation aufspringen sondern Ruhe bewaren. Viele Partner – und ich sage jetzt einfach mal die überwiegende Mehrheit der Partner – von Saab haben ein Interesse am Überleben der Firma. Auch stehen bisher noch Investoren bereit, die gerne bei Saab einsteigen würden. Saab hat eine aktuelle Produktpalette und einige tolle technische Entwicklungen und Neuheiten in der Pipeline. Das sind alles Punkte, die mich auf einen positiven Ausgang hoffen lassen. Wichtig ist allerdings, dass die Ungewissheit ein Ende hat und Saab schnellstmöglich sich wieder  aktiv mit dem eigentlichen Unternehmenszweck beschäftigen kann: Dem Entwickeln, Produzieren und Verkaufen von herausragenden, individuellen und begeisternden Fahrzeugen!

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6 Antworten zu Kommentar zur aktuellen Lage bei Saab

  1. ExSaab schreibt:

    Nun ja, nüchtern betrachtet sieht es wohl eher so aus: Saab hat nur zwei Modelle, 9-3 (seit 2003, also veraltet) und 9-5 (seit 2010, wird nicht nennenswert verkauft).
    Ob andere Produkte marktreif sind oder nicht kann ich nicht beurteilen. Gebaut werden sie wohl mangels Masse eher nicht, falls doch jemals sind sie bei Erscheinen schon veraltet, Außerdem es gibt es kein Vertrauen in die Marke mehr, der Vertrieb ist zusammen gebrochen, das Thema ist durch.
    Schade, aber so ist es.

    • tauentzien schreibt:

      Nun ja, ich bin der Meinung, dass man die Leichenrede erst hält, wenn es eine Leiche gibt. Soweit sind wir noch lange nicht. Ob ein 9-3III bei Erscheinen veraltet wäre, kann wohl keiner jetzt sagen. Nach aktuellen Stand wäre der 9-3III mit Hybrid eXWD und IQon sehr up-to-date.

  2. der41kater schreibt:

    Ohne Knete keine Fete.
    Es wird wohl kein Investor dazu bereit sein, weiterhin Geld in den Sumpf von Schulden fliessen zu lassen. Denn die Chancen, irgendwann das Geld zurück zu bekommen, sind gleich null.
    Neue Modelle müssten auch verkauft werden können. Aber ohne Händler nicht möglich.
    Und die mögliche Käuferschicht hat sich längst umorientiert. Selbst langjährige Saab-Fans fahren inzwischen andere Marken, sind für den SAAB verloren.

  3. Pingback: Adieu Saab, so schön war die Zeit : Classic Driving News

  4. Christoph Gerritsen schreibt:

    Selbst wenn jetzt Investoren das Ruder in die Hand nehmen und den Laden kaufen…bzw. sich einkaufen…ist SAAB als Autohersteller am Ende. Bis die Produktion wieder anlaufen kann, vergehen nochmals mehrere Monate. Das halten die verbliebenen Autohändler mit einem SAAB-Vertrag nicht mehr aus. Die deutschen SAAB-Händler haben sich schon verringert und die verbliebenen Händler sehen die ganze Sache sehr realistisch und suchen sich Alternativen.
    Das Jahr 2012 wird für die deutschen Auto-Werkstätten und Vertragshändler ein sehr anstrengendes Jahr. Auch die deutsche Auto-Industrie wird mit Absatz-Minderungen zu kämpfen haben. Es gibt 15.000 Werkstätten/Vertragshändler in Deutschland…davon sind 2000-3000 überflüssig, stehen am Rande der Existenz, sind quasi pleite…sollten die Umsatzzahlen weiterhin rückläufig sein. Die ersten Händler, welche dichtmachen müssen, sind die Werkstätten, die nicht flexibel reagieren können. Dazu gehören die Vertragshändler, die nur SAAB-Fahrzeuge vertrieben haben. Diese müssen nun schnell einen adäquaten Ersatz für ihre Stamm-Kundschaft beschaffen…oder ihre Stamm-Kundschaft wandert ab. Die deutschen SAAB-Händler stehen nun unter Zug-Zwang. SAAB-Fahrer weiterhin betreuen und eine andere Marke anbieten…oder SAAB weiterhin verkaufen, ohne Sicherheiten, wie es weitergehen wird. DAS machen die Händler aber schon seit 24 Monaten!!! Denn unter Victor Muller (Spyker) war auch nichts sicher.
    Überleben kann nur, wer seine Bude finanziell auf eigenen Beinen stehen hat. Banken werden nun jeden Kreditrahmen besonders begutachten und bei kleinsten Unregelmässigkeiten den Hahn zudrehen.
    Ich bin kein Banker und kein „Ferdinand Dudenhöfer“, aber ich kenne die Branche seit über 34 Jahren.
    Sollte SAAB wieder produzieren…und deutsche Händler das Modelljahr 2013 anbieten können (August 2012)…dann wird es nur noch ein Dutzend SAAB-Händler in Deutschland geben.
    Alle anderen Filialen sind Mehr-Marken-Händler, wo SAAB unter „ferner liefen“ angeboten wird.

    SAAB müsste da beginnen, wo sie in den 70er-Jahren angefangen hat. Mit 20 deutschen Händlern und einem Zentrum in der Mitte Deutschlands…in Hessen/Frankfurt am Main…und Stückzahlen von unter 1000 per Anno.
    Damit ist der deutsche Markt völlig uninteressant für einen Autohersteller und in den anderen europäischen Ländern sieht es ähnlich aus.

    Es kann keinen Investor geben, der mit solchen Aussichten die Karre wieder an´s drehen bringen möchte. Der muß mit dem Hammer getauft sein…oder anderweitig Geld verdienen und dort verbrennen wollen.

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